„Pakkt an! Lasst seinen Corpus Posteriorum fallen auf diesen nassen Schwamm bis triefen seine beide Ballen. Der durstigen Seele gebt ein Sturtzbad oben-drauf, das ist dem Sohne Gutenbergs die beste Tauff.“
Der Ursprung dieser „Gautschen“ genannten Buchdrucker-Tradition liegt im 16. Jahrhundert und wird an der HTWK Leipzig fortgeführt. Die Hintergründe und Zeremonie dieses „Gautschfestes“ werden im folgenden Interview mit Herrn Professor Dr.-Ing. Michael Reiche, Studiendekan Medienmanagement und Gautschmeister, erläutert.
Wie können sich Studenten dazu qualifizieren, ein Kornut zu werden?
Im polygrafischen Handwerk haben die Setzer- und Druckerlehrlinge früher nach sieben, später dann nach drei Jahren ausgelernt und erhielten ihren Lehrbrief oder das Facharbeiterzeugnis bzw. sie legten die Gesellenprüfung ab. Damit war die Ausbildung formal abgeschlossen. Wenn allerdings ihre Kollegen mit ihrer Arbeit sehr zufrieden waren, konnten sie in die Gilde der Jünger Gutenbergs, manchmal auch schwarze Zunft genannt, aufgenommen werden. D.h., nur den Besten wurde diese Ehre zuteil.
An der HTWK setzen wir diese Tradition fort. Da in den Studiengängen in den modernen digitalen Technologien ausgebildet wird, die zwar von den ursprünglichen handwerklichen Tätigkeiten abgeleitet sind, aber eher einen industriellen Charakter angenommen haben, man denke hier an automatisierte Satzprozesse, bieten wir im Rahmen der Ausbildung, aber auch fakultativ, Praktika im Bleisatzlabor an. Dort wird, zumindest für eine begrenzte Zeit, mit den Mitteln der Bleisatzära gearbeitet und auf diese Weise ein Druckprodukt, eine Visitenkarte, hergestellt und in einer kleinen Auflage vervielfältigt. Mit dem erfolgreich abgeschlossenen Praktikum erwerben die Studenten die Berechtigung, an der HTWK gegautscht zu werden. Traditionell findet das Gautschfest um Johanni (Johannistag, am 24.06) statt und wird daher gemeinsam mit dem Hochschulsommerfest, das in diesen Zeitraum fällt, gefeiert. Leider wird es uns in diesem Jahr nicht möglich sein, die Zeremonie durchzuführen. Die bereits erworbenen Gautschberechtigungen bleiben aber auf jeden Fall gültig und wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr wieder Jünger Gutenbergs aufnehmen können.
Wie läuft solch eine Gautschzeremonie ab?
Mit der abgeschlossenen Berufsausbildung traten die jungen Männer, später dann auch die jungen Frauen, ins Erwachsenenalter ein. In der Zeremonie sollen die Unreinheiten des Kinderdaseins abgewaschen werden. Daher spielt Wasser eine besondere Rolle im Ritual. Der Begriff Gautschen stammt aus der Papierherstellung. Durch Gautschen wird das Wasser nach dem Schöpfen der Fasern und deren Ablegen auf dem Sieb aus dem Faserverbund in einem ersten Fertigungsschritt herausgepresst. Daher wird der Kornut oder die Kornutin mit Wasser äußerlich und durch einen Gautschtrunk innerlich gereinigt, ehe sie vom Gautschmeister freigesprochen werden und als Erinnerung an diesen außergewöhnlichen Tag eine Gautschurkunde erhalten. Früher und teilweise auch heute noch in den Druckereien ist damit die Sache noch nicht erledigt, denn die neuen Jünger Gutenbergs laden ihre Kollegen anschließend zu einem üppigen Essen ein. Diesen Teil der Tradition pflegen wir an der Hochschule nicht. Wie die Zeremonie im Einzelnen genau abläuft, soll hier noch nicht verraten werden, ein kleines Geheimnis soll noch bestehenbleiben. Jedermann ist allerdings eingeladen, bei unserer HTWK-Gautsch-Zeremonie zuzuschauen, wenn es wieder heißt „Pakkt an“.
Seit wann existiert diese Tradition bereits an unserer Hochschule und wie werden Professoren zu Gautschmeistern?
Wie lange an der HTWK gegautscht wird, kann niemand genau sagen, es ist aber davon auszugehen, dass das Gautschen bereits seit der Gründung der damaligen Sektion Polygrafie praktiziert wurde. Ich habe das Amt des Gautschmeisters von Thomas Schulze übernommen, der es viele Jahre ausgeübt hat. Traditionell geht die Aufgabe immer an denjenigen Jünger Gutenbergs über, der den ältesten Gautschbrief nachweisen kann. Es muss also nicht unbedingt ein Professor sein, der die Gautschzeremonie leitet.
Was bedeutet es für Sie, diese alte Tradition an der HTWK Leipzig fortzuführen?
In einer Zeit, in der sehr viele Traditionen dem Vergessen anheimfallen, finde ich es sehr wichtig, dass diese erhalten wird. Wir werden manchmal kritisiert, weil die Voraussetzungen für das Gautschen, also ein lediglich dreistündiges Praktikum im Bleisatzlabor, als zu gering erachtet werden. Auf der anderen Seite sind die Berufe des Handsetzers und des Buchdruckers mittlerweile verschwunden und damit würde es kaum noch wahre Kornuten geben. Ich denke, das Gautschen kann man als ein Alleinstellungsmerkmal der Studiengänge an unserer Fakultät sehen. Immerhin lernen wir, wie Medienprodukte in den verschiedenen Formen hergestellt werden, seien es Bücher oder Zeitungen, Verpackungen, Videos oder andere Datenformate, auch die der sozialen Medien. Alle stehen auf ihre spezielle Weise in der Tradition Gutenbergs. Mit dem Gautschen feiern wir damit auch diesen großen Innovator, der mit seiner Erfindung einen großen Anteil an der Ausprägung unserer Medienwelt hat.
Gibt es schon Pläne, ob und wie die diesjährigen Bleisatzabsolventen gegautscht werden können?
Die Praktika im Studiengang Digitale Printtechnologien, die in diesem Semester ausfallen mussten, werden im Wintersemester nachgeholt. Die neuen Studentinnen und Studenten im Studiengang Buch- und Medienproduktion werden die Praktika hoffentlich regulär durchführen können. Im Sommersemester 2021 werde ich traditionsgemäß wieder fakultative Praktika anbieten für die Studentinnen und Studenten aller anderen Studiengänge, die vielleicht nur einmal für drei Stunden auf den Spuren Gutenbergs wandeln oder auch ihre Gautschberechtigung erwerben wollen. Und wir sollten alle die Daumen drücken, dass wir die Gautschzeremonie im nächsten Jahr wieder durchführen können.
Ich grüße alle Kornutinnen und Kornuten mit dem alten Gruß der Zunft: Gott grüß`die Kunst!
Autor: Natalie Felka