Die Smoler´sche Verlagsbuchhandlung in Bautzen ist die Hauptanlaufstelle für sorbische Literatur. Im Interview erfahren Sie mehr über den Alltag von Verlagsbuchhändlerin Annett Scholze und Hersteller Thomas Scholze. Viel Spaß beim Lesen!
Die Smoler´sche Verlagsbuchhandlung in Bautzen ist der Standort für sorbische Literatur. Hier werden neben den verlagseigenen Büchern der Domowina auch übersetzte Werke aus anderen slawischen Ländern, wie Tschechien und Polen, und regionale, sowie deutschsprachige Literatur angeboten.
Im Interview haben Buchhändlerin Annett Scholze und Hersteller Thomas Scholze Einblicke in ihren Alltag erlaubt.
Guten Tag, Frau Scholze. Ich freue mich sehr, in der Verlagsbuchhandlung der Domowina in Bautzen zu sein und Ihnen Fragen zu Ihrem Beruf stellen zu können. Mich interessiert zuerst einmal, wer Sie sind und wo Sie herkommen.
„Ich bin Annett Scholze und in Kaschwitz aufgewachsen. Das Dorf ist ein Grenzgebiet, was bedeutet, dass dort Sorbisch und Deutsch gesprochen wird, aber bei uns zuhause wurde zuerst nur Sorbisch gesprochen. Mit der deutschen Sprache bin ich erst im Alter von drei Jahren in Berührung gekommen, als der Nachbar eine deutsche Frau geheiratet hat. Ich habe sie auf Sorbisch angesprochen und sie antwortete auf Deutsch, so habe ich angefangen die Sprache zu lernen. Später bin ich dann in einen Kindergarten gegangen, in dem die Erzieherin deutsch war.“
Was hat Sie motiviert, sich für diesen Beruf zu entscheiden und wie kamen Sie nach Bautzen?
„Bücher haben in unserer Familie schon immer zum Alltag gehört. Als Schulkind hatte ich zuerst Probleme mit dem Lesen, weshalb mir aufgetragen wurde, laut zu lesen. Ich habe viel gelesen. Außerdem mochte ich es schon immer, Bücher zu sortieren, was vielleicht auch zur Berufswahl beigetragen hat. Der damalige Chef des Verlagsvertriebes war in der Schule, um den Buchhändlerberuf zu bewerben, was mich in der 9. Klasse noch nicht interessiert hat. Als es dann in der 10. Klasse darum ging, die Ausbildungskarte abzugeben, war ich sehr unentschieden. Dann habe ich mich daran erinnert, dass der Verlag Mitarbeiter sucht. Mein Vater und ich fuhren nach Bautzen, um nachzufragen, ob noch ein Ausbildungsplatz frei sei. Ich hatte Glück und konnte die Ausbildung als Verlagsbuchhändlerin starten. ”
Wie ist diese Verlagsbuchhandlung entstanden?
„Auf einer Unternehmensversammlung habe ich vorgeschlagen, einen eigenen Buchladen für den Verlag in Betracht zu ziehen, weil ich empfand, dass nach Ende der DDR das Potenzial größer sei. Wir hatten früher u.a. Partnerbuchhandlungen in Cottbus, Kamenz, Hoyerswerda, wo sorbische Bücher angeboten wurden. Leider waren diese nie sehr zahlreich vertreten, sondern eher in einem eizigen Regal, was mich immer etwas geärgert hat. Ich meine, wir haben so viele Bücher, die man nirgendwo zeigen kann. Zu der Zeit wusste ich aber noch nicht, dass der Chef diese Idee bereits im Hinterkopf hatte. Uns war aber auch bewusst, dass sorbische Bücher generell keinen schnellen Umsatz bringen.
Als dieser Buchladen entstand und ich hier als Buchhändlerin anfangen durfte, ist für mich ein Traum wahrgeworden. Ich habe realisiert, dass es der Beruf ist, den ich schon immer ausüben wollte.”
Was bereitet Ihnen am meisten Freude in Ihrem Alltag?
„Zuallererst, dass ich täglich mindestens ein Buch in die Hand nehmen und es durchblättern kann. Mit dem Wissen über Inhalt und Gestaltung, kann ich es dann Kunden empfehlen und damit meine Freude am Buch teilen, oder auch andere Bücher empfehlen und damit den Horizont für Werke erweitern, die von Nutzen sein könnten.”
Was sollten junge Menschen mitbringen, um Ihren Beruf mit Freude ausführen zu können?
„Im Allgemeinen sollte ein Interesse an Büchern vorhanden sein. In unserer Verlagsbuchhandlung ist es zusätzlich gut, ein breites Allgemeinwissen zu haben und auf Fragen antworten zu können, sprich, nicht nur den Buchinhalt zu kennen, sondern auch Hintergrundwissen zu haben.”
Was würden Sie sich für den (sorbischen) Buchhandel und Verlag wünschen?
“Mehr Leser und Autoren – vor allem Autoren. Diese werden dringend gebraucht. Sich künstlerisch auszuleben, ist heutzutage zeitlich schwieriger als in der DDR, weil man von einem Buch nicht leben kann und arbeiten gehen muss, deswegen schreiben viele nebenbei.“
Könnte man, wenn Autoren fehlen, nicht einfach mehr Bücher aus anderen Sprachen übersetzen?
„In den 60ern gab es eine große Welle von Übersetzungen. Das Spektrum reicht von Stevenson über Strittmatter bis Jack London, also alles Mögliche. Krazsewskis `Gräfin Kosel´ kann ich beispielsweise nicht auf Deutsch lesen, nur auf Sorbisch, deswegen weiß ich nicht, wie das von anderen eingeschätzt wird; gekauft wurden die Übersetzungen. Nach der Wende haben wir versucht, das weiterzuführen, weil wir für die Jugend und Erwachsene ein größeres Angebot schaffen wollten, aber momentan ist es schwierig, auch, weil die Kunden oft Wert darauflegen, dass die Bücher von den Autoren kommen und nicht nur ins Sorbische übersetzt wurden. Das nächste Problem ist, dass es bei Übersetzungen auch dazu kommen kann, dass der Ausdruck, zum Beispiel, in einem Kinderbuch zu anspruchsvoll ist und dadurch die eigentliche Zielgruppe verfehlt wird. Manchmal liegt es aber nicht unbedingt an der Übersetzung, sondern eher an dem Thema, in das der Leser nicht hineinfindet. Außerdem kommt es auf das Alter an. Es gibt Zielgruppen, die schwierig zu erreichen sind. Ob es durch ein fehlendes Interesse an der sorbischen Literatur ist, oder das Zufriedengeben mit dem deutschen Angebot, ist schlecht abschätzbar. Vielleicht spielen andere Faktoren auch eine Rolle. Und Übersetzungen brauchen Zeit – Zeit, die am Ende vielleicht verschwendet wurde, weil das Buch sich dann nicht verkauft.“
Welche Zielgruppen sind das speziell?
„Die Jugend fehlt. Das liegt zum einen wahrscheinlich daran, dass sie nicht zufrieden mit dem Angebot sind oder dass sich viele nicht auf die vorhandene Literatur einlassen. Ich möchte nicht alle über einen Kamm scheren, jeder ist anders und man sollte keinem etwas aufzwingen. Jeder verbringt seine Zeit anders, dabei gehen Schularbeiten oder Studium oft vor, sodass ich es verstehen kann, wenn man die Prioritäten anders setzt. Vielleicht kommt die Hingabe zum Buch im Alter wieder.“
Seit Corona haben viele Menschen ihr Verlangen nach Kultur etwas zurückgeschraubt und gehen nicht mehr so oft aus. Wie stark hat sich das auf Ihren Buchhandel ausgewirkt?
„In der Corona-Zeit, als der Buchhandel geschlossen war, hatten die Leute ihr Tablet und Handy und haben damit Bücher heruntergeladen und gelesen. Man konnte sich über den Onlineshop Bücher zulegen – egal, ob analog oder digital. Das ist aber nicht dasselbe, wie in einem Laden Bücher in die Hand zu nehmen. Ich frage mich, ob Bücher noch gelesen werden und denselben Wert wie früher haben, denn für uns war ein Buch etwas Besonderes. Das Angebot heutzutage ist sehr groß ist, auch durch internationale Literatur und durch die Digitalisierung. Es hat zweifellos Vorteile, in den Urlaub zu fahren und „einen Koffer voller Bücher“ zu haben, obwohl alles in einem kleinen Gerät ist. Aber ich nehme immer ein richtiges Buch in die Hand.“
Glauben Sie, dass Lesen irgendwann aus der Mode kommen könnte?
„Das kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Ich habe vor kurzem ein Bild meiner Nichte bekommen auf dem der Vater seinem Kind, das eine Woche alt ist, aus einem Buch vorliest. Da habe ich mir gedacht: Das geht nicht. (lacht) Wer als Kind nicht mit Büchern aufgewachsen ist, dem fällt es natürlich schwer in diese Welt hineinzufinden. Wer, auf der anderen Seite, mit Büchern aufwächst, dem fehlt dann etwas. Die Freude an Büchern sollte unbedingt weitergegeben werden, aber wenn mindestens ein Elternteil liest, ist das kaum ein Problem.“
Wenn das Bücherlesen aus der Mode kommen würde, welche Konsequenzen hätte es für Sie?
„Im Sorbischen ist das etwas schwieriger als bei anderen Sprachen, im schlimmsten Fall würde sie sich nämlich verlieren. Außerdem ist das Lesen eine Form der Kommunikation zwischen Autor und Leser, so können gleichzeitig Rechtschreibung, Grammatik, Interpunktion und Weiteres verbessert werden. Ohne das Lesen kann ich nicht schreiben und umgekehrt.“
Ich glaube auch, dass das Lesen vor allem Kindern hilft, die Rechtschreibung und Grammatik zu bessern. Außerdem können sie sich eine eigene Welt schaffen, um der Realität zu entfliehen.
„Da gebe ich Recht. Man muss dabei auch sehen, dass es Bücher gibt, die verfilmt wurden. Entweder ich lese das Buch und schaue mir den Film nicht an, oder ich sehe den Film und lese das Buch nicht, weil es zwei unterschiedliche Welten sind. Was man sich vorstellt, ist oft anders, als es im Film umgesetzt werden kann. Nur im Buch kann die persönliche Fantasie voll ausgelebt werden; dabei kann jeder seinen eigenen Gedanken nachgehen.“
Was tun Sie, um den Verkauf und das Lesen zu fördern?
„In anderen Buchhandlungen sind Non-Books ein Thema, dafür bin ich aber nicht unbedingt zu begeistern. Hauptsächlich, weil wir das hier in der sorbischen Buchhandlung kaum haben. Ich versuche dem Käufer Bücher zu empfehlen, die dem gewünschten Zweck entsprechen. Dabei bin ich neugierig, für wen das Buch sein soll. Da man sich in der sorbischen Gemeinschaft oft kennt, kann man hier leichter auf den Geschmack eingehen und ein passendes Buch empfehlen. Deswegen versuche ich die Vorschläge teilweise in die regionale Schiene zu lenken, wenn ich denke, dass es von Interesse sein könnte und dann kann man auch CDs oder andere Kleinigkeiten mitgeben. In vielen Fällen liege ich richtig und freue mich, den glücklichen Kunden mit einem Lächeln zu verabschieden.“
Haben Sie in den vergangenen Jahren eine Veränderung in der Breite des Themenspektrums bemerkt?
„Nicht wirklich. Wir als Verlagsbuchhandlung haben eine große Breite und viele Bücher auf Lager. Wir versuchen, die Bücher, die einen sorbischen Autor haben, aber in einem deutschen Verlag erscheinen, in die Buchhandlung zum Verkauf aufzunehmen und an die Kunden weiterzugeben. Im Allgemeinen haben wir uns dazu entschlossen, regionale Literatur zu vertreiben und regional zu bleiben – was viele Gebiete der Lausitz umfasst – auch, wenn die Wahl der Literatur subjektiv ist. Außerdem verkaufen wir nicht nur sorbische, sondern auch deutsche Literatur und was nicht vorhanden ist, kann bestellt werden – wie in jeder normalen Buchhandlung. Der Unterschied ist, dass sich ein sorbischer Buchhandel leider nicht selbstständig halten kann, weswegen wir finanziell unterstützt werden.“
Ende April findet, nach zwei Jahren Pause, die Leipziger Buchmesse statt. Werden Sie dort vertreten sein?
„Die Domowina hat seit Jahren einen Stand auf der Messe. Leipzig ist für uns wichtig, weil wir uns so mit anderen slawischen Verlagen vernetzen konnten. Wir haben seit den Zeiten der DDR Beziehungen nach Polen oder auch Tschechien, wo Lizenzen unserer Bücher gekauft werden und wir Lizenzen slawischer Autoren kaufen und die Bücher übersetzen. Es gibt Werke, die in unterschiedlichen slawischen Sprachen zur selben Zeit veröffentlicht wurden. Ohne die Kooperationen, wäre es schwieriger für uns, verschiedene Menschen in anderen Nationen zu erreichen. Dafür ist Leipzig unser Zentrum schlechthin.“
Da ich Buch- und Medienproduktion studiere, habe ich theoretische und praktische Kenntnisse zu Prozessen der Buchherstellung. In Zukunft kümmere ich mich also darum, dass aus dem geistigen Gut des Autors das Buch wird, was man in den Händen halten kann, egal ob in Print- oder Digitalausführung. Es folgen also technische Fragen, deshalb freue ich mich, dass der Verlagshersteller Thomas Scholze da ist, um diese zu beantworten. Herzlich willkommen und lassen Sie uns direkt mit der ersten Frage beginnen: Wie sehr achten Sie auf die Schrift?
“Darauf wird sehr geachtet, weil wir in unserem Verlag nicht nur Kinderbücher haben, sondern auch Belletristik und wissenschaftliche Bücher. Man muss also je nach Textmenge und Zielgruppe die passende Schrift wählen. In der Belletristik ist es üblich, dass Serifenschriften genutzt werden, die das Lesen unterstützen. Bei kurzen Texten kann man mehr auf die Ästhetik achten und die Schrift je nach Zielgruppe variieren.”
Gibt es eine Schrift, die Sie nicht mögen und warum?
“Arial fett. (lacht) Ich finde die Schrift plakativ und platt. Meiner Meinung nach hat sie keinen Charakter, das gewisse Etwas fehlt. Ich meine, wenn der Auftraggeber diese Schrift haben möchte, weil es unabdingbar für die Zielgruppe ist, werde ich dem nicht widersprechen. Als Künstler kann man sagen, dass man das möchte, was einem gefällt, aber als Designer, der seine Zielgruppe ansprechen möchte, muss ich meinen persönlichen Geschmack beiseitelegen.”
Haben Sie ein Buch, das schwierig zu lesen ist?
“Es gibt immer wieder Bücher, die ich persönlich nicht optimal finde; wo die Buch-, Schrift- oder Bildgröße ungünstig gewählt wurde oder das Papier nicht ins Gesamtbild passt. Da Bücher meist nicht nur eine Zielgruppe haben, sondern mehrere, muss man sehen, ob man Kompromisse eingeht. Die Frage ist dann, ob der Kompromiss eine gute Lösung ist. Ich denke außerdem, dass der Geschmack und die Erfahrung des Herstellers, sowie die Vorgaben des Verlages eine wichtige Rolle bei der Wahl spielen.“
Kennen Sie Bücher, bei denen die Farbwahl nicht zum Titel und/oder Inhalt passt?
„Mir fällt spontan kein Bespiel ein, wo die Farbwahl irreführend wäre – ich kenne keins. Im Verlag arbeiten wir mit erfahrenen Buchgestaltern, was bedeutet, dass das Risiko einer unpassenden Ausstattung sehr gering ist. Die Wechselwirkungen zwischen Papier, Farbe, Bindung werden weitestgehend eingeplant und beachtet, weshalb mir von einem schlecht-gestalteten Buch nichts bekannt ist. Die Gestalter wissen auch, was sie bei Bücherreihen beachten müssen, es sei denn, der Auftraggeber verlangt eine Änderung der Ausstattung.“
Haben Sie ein Buch, das Sie farbschematisch am ansprechendsten finden?
„Sie können sich jedes Buch anschauen, es sind alle super. (lacht) Wenn man nicht überzeugt wäre, würde man den Beruf nicht ausüben. Jeder hat seinen Geschmack, deshalb haben wir im Verlag einen Gestaltungsrat, der sich gemeinsam die Ergebnisse ansieht, Cover und Layout bewertet und berät, ob es so publiziert wird – schließlich kann ein Hersteller auch mal einen schlechten Tag haben und völlig daneben liegen. Der Chef gibt das Projekt dann mithilfe der Meinung dieses Rates frei.“
Was ist Ihnen typografisch wichtig?
„Das ist schwierig, weil ich dahingehend sehr flexibel bin. (lacht) Grundlegend ist mir bei der Typografie wichtig, dass sie an die Zielgruppe, den Zweck und die Ausstattung angepasst ist. Wenn beispielsweise die Zeilen zu eng aufeinander folgen, die Buchstaben miteinander verschwimmen, oder sich die Silbentrennung ungünstig auf das Layout auswirkt, stört es schon das Gesamtbild. Das ist aber nicht, wo ich mich absolut dagegen ausspreche. Wenn ich es lesen möchte, werde ich es lesen, auch wenn es schlecht gesetzt ist.“
Welches Buch finden Sie insgesamt am ansprechendsten?
„Das Buch „Sonić – to tla z hrěchom njej´“ (dt. „Träumen – das ist doch keine Sünde“) von Martin Wetzlich ist ein besonderes Projekt unseres Verlags, das vor kurzem entstand und den sächsischen Verlagspreis bekam. Es ist nicht nur ein konventionelles Buch, sondern auch mit QR-Codes ausgestattet, die entweder zu einem historischen Dokument, einer Audio-Datei oder einem Video führen. Man bekommt also zusätzlich zu der Statik im Buch einen bewegten und auditiven Eindruck, was dieses Buch für mich zu einem typografisch interessanten Projekt macht.
Die Idee ist, sorbische Bücher in Haushalte zu bringen und das Lesen zu fördern, denn durch die Konkurrenz deutscher Medien und fehlender sorbische Autoren, wird es zunehmend schwieriger zu bestehen. Wir möchten unsere Sprache und Kultur in der Region fördern und beibehalten.“
Ich danke Ihnen vielmals für die Zeit, die Sie sich für das Interview genommen haben und verabschiede mich.