Nach zwei Jahren Ausfall, bedingt durch die Pandemie, konnte im Juni nicht nur das Hochschulsommerfest der HTWK wieder stattfinden, sondern auch unser Gautschfest.
Und so verkündete Herr Professor Reiche, der Gautschmeister unserer Fakultät, dem schaulustigen Publikum und der jubelnden Menge jene Worte, die von Alters her den Gautschvorgang einleiten:
„Der Kornut weiß nichts von Zunft und guter Sitte. Er ist nicht wert, daß man ihn berühren tut, bevor er nicht gegautschet ist. (…) Packmeister, Schwammhalter und Packer waltet nun Eures schweren feuchten Amtes, denn jetzt und gilt es, Jünger Gutenbergs aus diesen jämmerlichen Gestalten zu machen. Ein Hoch der schwarzen Zunft!“
Gautschen – was ist das überhaupt? Das Wort klingt ungewöhnlich, das ist es auch. Zumindest in unserer modernen Sprache, denn eigentlich ist es ein Wort mit einer sehr langen Geschichte, die bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht. In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der Begriff „Gautschen“ den ersten Entwässerungsschritt in der Papierherstellung, wobei nach Schöpfen des Papierbogens in einem Sieb mit dem Gautschschwamm die restliche Feuchtigkeit herausgepresst wird.[1]
In unserem Kontext hat das Gautschen allerdings eine andere Bedeutung. Doch das Wasser hat auch hier immer noch eine große Bedeutung. Gautschen bezeichnet einen über 500 Jahre alten Brauch der schwarzen Kunst bei dem ein angehender Drucker - ein sogenannter Kornut - durch Taufe in die Druckerzunft Gutenbergs nach bestandener Abschlussprüfung aufgenommen werden soll.
Gegautscht werden an der HTWK Studenten der medienaffinen Studiengänge, aber auch neue Professoren und Professorinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nicht durch eine Urkunde nachweisen können, dass sie das Prozedere bereits erfolgreich hinter sich haben. Für Studenten ist die Zugangsvoraussetzung zum Gautschen ein erfolgreich absolviertes Praktikum im hochschuleigenen Bleisatzlabor.
Beim Festakt wird ein jeder Kornut im Rahmen einer Freisprechungszeremonie von innen und außen gereinigt. Hierfür wird sie oder er von den sogenannten Packern, die alle Mitglieder der schwarzen Zunft sein müssen, in einem riesigen Fass voll Wasser mehrfach getaucht. Dabei ist besonders auf die Füße zu achten, da diese viel zu häufig trocken bleiben. Anschließend muss eine Flüssigkeit mit selbstverständlich streng geheimer Rezeptur durch einen Trichter getrunken werden.
Doch ganz ohne Gegenwehr wird kein Kornut gegautscht. Denn es ist üblich, dass nach dem Schütteln der Hand unseres Gautschmeisters der Gautschling versucht, sich der nassen Prozedur durch Flucht zu entziehen. Natürlich erfolglos, da die Packer ihn auf kurz oder weniger kurz doch schnappen und unter dem Beifall der Zuschauenden zum besagten kühlen Nass im Bottich tragen.
Nach dem Gautschakt sind die Kornuten offiziell Teil der Druckerzunft und dürfen ab diesem Zeitpunkt selbst als Packer oder Schwammhalter am Gautschakt teilnehmen. So auch einige sehr motivierte Teilnehmer, die in diesem Jahr erst gegautscht wurden und im Anschluss selbst mit angepackt haben.
Weiterhin erhalten sie nach Überstehen der Prozedur ihre Urkunde, in der alles Wichtige zur Sitte und Tugend eines Gesellen der schwarzen Zunft abgedruckt ist. Die Urkunde dient auch als Beweis, ein rechtmäßiger Teil der schwarzen Zunft zu sein.
Alfred S. erzählt uns rückblickend in einem kurzen Gespräch: „Ich hatte schon Respekt vor dem heutigen Tag, da diese Feierlichkeit ein wichtiger Termin in unserem Studium ist. Aber es hat echt Spaß gemacht und ich freue mich diese alte Tradition mit am Leben erhalten zu können.“
Wirklich trocken bleibt bei dem ganzen Schauspiel niemand, denn auch wenn die Packer mit Schürze ausgestattet sind, bleiben diese nicht vom Nass verschont. Auch Unachtsamkeit wird bestraft, denn der Bottich steht den ganzen Tag auf der Wiese, umgeben von einem Bannkreis aus Sägemehl, den nur die Packer und Kornuten überschreiten dürfen. Wer die Linie übersieht, wird ohne Ausnahme ebenfalls gepackt und ins Wasser getaucht. Gebt also acht, wenn es im nächsten Jahr wieder heißt: „Packt an!“
Autorin: Tia Abschlag
[1]verlagsherstellung.de/hochschulleben/studierende/unser-gautschfest/ (abgerufen am 8.7.2022)