Handhabbarkeit
Der Kindle 2 besitzt mit seinen ungefähr 13,5 x 20 cm eine ansprechende Größe und lehnt sich damit an ein gewohntes Taschenbuchformat an, das für größere Hände sicherlich auch bequem in der Hand zu halten, für mich persönlich aber etwas zu breit ist. Leider wurde nur eine Diagonale von 6 Zoll für den Bildschirm ausgenutzt, die zwar ausreichend für die Darstellung eines normalen Lesetextes ist aber sicherlich optimiert werden kann. Der Trend, die Lesegeräte immer dünner und leichter zu machen resultiert leider in einem etwas abschreckenden Ergebnis, wenn man es gewohnt ist, dicke Romane und Sachbücher in Händen zu halten – so suchen die Finger automatisch nach irgendeinem besseren Halt als die glatte Rückseite des Kindle und man braucht eine Weile, bis man eine bequeme Position für die Hände gefunden hat. Auch lässt natürlich die gewohnte Haptik von Einband und Papier missen und wurde mit der etwas angerauten Oberfläche des Gerätes nur unzureichend versucht, auszugleichen – auch für jemanden, der das Knistern und den Geruch frisch bedruckten Papiers liebt, ein Anspruch, dem keine Technik der Welt genügen kann.
Dank des niedrigen Stromverbrauchs der eInk-Technologie kann ein Buch getrost über einen langen Zeitraum gelesen werden, ohne, dass der Akku zwischendurch aufgeladen werden müsste.
Leseerlebnis
Durch den passiven Bildschirm ohne Hintergrundbeleuchtung und einem guten Kontrast lassen sich Texte wie in einem Buch bei unterschiedlichsten Lichtquellen lesen. Direktes Ober-licht jedoch blendet etwas, und auch die weiße Farbe des Gerätes war für mich im Kontrast zu der gräulichen Oberfläche des Bildschirms ein Störfaktor. Die Schrift wirkt wie aus englischen Büchern bekannt etwas ausgefranst und im Satz durch den automatischen Umbruch nicht besonders ausgefeilt, kann dafür aber in Größe und Wortanzahl pro Zeile den Bedürfnissen des Lesers angepasst werden.
Da die im Kindle verwendete eInk-Technologie nur Graustufen darstellen kann fehlt die Farbigkeit, die vor allem in didaktischen Büchern die Blickführung und Texterfassung erleichtert, und natürlich wird dadurch auch die Perzeption von Bildern eingeschränkt. Zeitungen werden ohne die üblichen Gliederungsebenen und oft ganz ohne Bildmaterial angezeigt und Tabellen und Grafiken lassen sich nur unzureichend darstellen, wodurch die Arbeit mit Sach- und Fachliteratur behindert wird. Irritierend für mich die Schwarzfärbung des gesamten Bildschirms beim Umblättern, was zwar technologisch notwendig, aber für das Auge trotzdem unangenehm ist.
Die Integration des Oxford Wörterbuches ist eine grandiose Idee vor allem für Nicht-Muttersprachler, die englische Texte lesen und vielleicht hin und wieder über ein Wort stolpern, dessen Bedeutung sie nicht kennen, ebenso aber auch, um Fachbegriffe und unbekannte Abkürzungen nachzuschlagen.
Bedienung
Was sich mir nicht erschlossen hat ist die seltsame Art und Weise, mit der im Kindle Seitenangaben realisiert werden – statt einer Pagina sieht man einen Fortschrittsbalken, auf dem man auch im Buch hin- und herspringen kann, und dazu eine vierstellige Zahl, die bestenfalls als kryptisch zu bezeichnen ist. Seiten muss man also auf gut Glück suchen, so lange springen und blättern – dank der Wartezeit bis zum Aufbauen einer neuen Seite sehr zeitaufwendig –, bis man sie gefunden hat oder den komplizierten Weg über das Inhaltsverzeichnis, soweit vorhanden, oder die unter anderen Umständen sehr praktische Suchfunktion wählen, der aber auch nicht in jedem Fall zum gewünschten Ziel führt. Das macht es schwierig, Quellen im Literaturverzeichnis nachzuschlagen (die leider nicht verlinkt werden) oder einfach nur etwas in einer bestimmten Textstelle noch einmal nachzulesen.
Ansonsten ist die Bedienung zumindest für technikaffine Menschen gut intuitiv erfassbar. Die Knöpfe zum Umblättern sind an beiden Seiten des Gerätes angebracht, wodurch man den Kindle sowohl mit der linken als auch der rechten Hand bedienen kann, zumal sie auch lang genug gezogen sind, um sie noch zu erreichen, wenn man das Gerät unten hält. Dort befinden sich auch die – leider nur englische – Tastatur sowie der so genannte 5-Wege-Joystick. Da der Kindle 2 keinen Touchscreen besitzt muss umständlich jeder Zeile und jedes Wort über dieses Steuerkreuz angesprungen werden und auch bei der Tastatur dauert es einige Zeit, bis man Wörter zusammengesetzt hat, wobei vor allem die fehlenden Umlaute negativ auffallen. Kompliziert und langwierig ist auch die Navigation durch das Menü – anfangs sucht man noch recht lange nach einzelnen Unterpunkten, und vor allem das Inhaltsverzeichnis braucht zu viele Klicks, bis man es erreicht hat. Das Einfügen von Lesezeichen und die Funktion, mit der sich das Gerät die zuletzt gelesene Seite merkt, erleichtern die Navigation innerhalb eines Textes jedoch wieder ein wenig.
Zusatzfunktionen
Neben den essentiellen Möglichkeiten des Lesezeichen, Notizen und Markierungen Hinzufügens hat der Kindle unter anderem die Fähigkeit, kabellos ins Internet zu gehen und einfach aufgebaute Internetseiten anzuzeigen. Das tut er zwar nicht besonders gut, aber der Versuch sollte dennoch honoriert werden.
Die Übertragung von gekauften eBooks findet trotzdem hauptsächlich über das Amazon-interne »Whispernet« oder über USB-Anschluss vom Computer auf das Gerät statt. Gespeichert werden können bis zu 1.500 Dokumente (egal, ob eBooks oder eigene Dateien). Außerdem können Musik und Hörbücher in Form von MP3s und Audible-Formaten abgespielt werden.
Experimentell ist noch die Möglichkeit, sich einen Text vorlesen zu lassen. Im Englischen funktioniert das ganz gut mit einstellbarer Sprachgeschwindigkeit und männlicher oder weiblicher Stimme, Texte anderer Sprachen lösen jedoch allerhöchstens Erheiterung aus, da die Wörter kaum noch verständlich ausgesprochen werden.
Eine Synchronisations-Funktion erlaubt es dem Kunden, seine eBooks über Apps auch auf dem iPhone oder iPod zu lesen oder andersherum die von diesen Geräten gekauften eBooks auf den Kindle zu laden. Dabei werden aber nicht nur Inhalte, sondern auch Lesezeichen, Markierungen und Notizen übertragen, was das Lesen auf mehreren Geräten erleichtert.
Es gibt drei vorgefertigte Ordner: »Books«, »Subscriptions« für Zeitungsabos und »Personal Documents«, wo z.B. PDFs automatisch eingeladen werden. Ansonsten ist es nicht möglich, eigene Ordner anzulegen, oder zumindest werden diese im Kindle nicht umgesetzt. Bücher kann man nach Relevanz, Titel oder Autor sortiert anzeigen und in der Datenbank suchen lassen. Die Suchfunktion gilt natürlich auch innerhalb eines Buches und kann zudem auf Wikipedia oder das Internet erweitert werden.
Wird das Gerät nicht komplett abgeschaltet sondern in den Ruhezustand gesetzt, woraufhin der Bildschirm einfriert und keinen weiteren Strom verbraucht, wird ein Bildschirmschoner – meist Bilder amerikanischer Autoren – angezeigt, der sich mit jedem Standby ändert. Mit etwas Aufwand lassen sich auch eigene Bilder speichern und anzeigen.
Für fast alle eBooks werden Leseproben der ersten Kapitel eines Buches angeboten und können kostenlos auf den Kindle geladen werden.
Formate
Die proprietäre Dateihaltung des Kindle beschränkt den Leser auf die Amazon-Formate. AZW, Mobipocket und .PRC sowie PDFs und Textdateien. HTML und .DOC soll laut Hersteller ebenfalls lesbar sein, konnte in meinem Versuch jedoch nicht bestätigt werden. Die gängigen Bildformate JPEG, BMP, GIF und PNG sind mit der Beschränkung auf Graustufen darstellbar und wie oben schon erwähnt können MP3s und. AA-Dateien wiedergegeben werden.
Fazit
Lesegeräte wie der Kindle besitzen ein großes Potential, Berufslesern das Herumtragen dicker Wälzer zu ersparen, Viellesern auf Reisen die Auswahl der Lektüre zu erleichtern und die Recherche in Büchern sowie dem Internet miteinander zu verbinden. Bis sie ausgereift sind, um all diese Funktionen auch zuverlässig und zufrieden stellend anbieten zu können, wird aber wohl noch einige Zeit vergehen. Mich persönlich konnte der Kindle noch nicht überzeugen.