Das Gastland der Leipziger Buchmesse 2018
„Rumänien gehört zu den Ländern, wo man sich jeden Tag fragt, ob es sich weiterhin lohnt, hier zu bleiben oder ob man gehen muss. Alle meine Freunde und Bekannten stellen sich diese Frage ständig. Aber Rumänien ist nicht nur ein Land, in dem es oft unangenehm ist zu leben, es ist auch ein interessantes Land, ein Land, in dem man sich nie langweilt, wo man von Erniedrigung und Beleidigung in Erniedrigung und Beleidigung gerät. Wo man jeden Tag Dingen begegnet, die für einen satirischen Autor ein gefundenes Fressen wären.“ - Mircea Cǎrtǎrescu (bekanntester lebender Schriftsteller Rumäniens)
Größe/Volumen:
- Einwohnerzahl: 19,8 Mio.
- BIP pro Kopf: 8.430 €
- Anzahl der Verlage: 6.300 Verlage
- Buchhandel: In Rumänien gibt es nur sehr wenige kleine unabhängige Buchhandlungen. Die Kette „Cărturești Carusel“ lockt Kunden mit Buchkaufhäusern in tollem Ambiente an, die teilweise sogar über mehrere Stockwerke verteilt sind. Großhändler gibt es nicht. Der Humanitas Verlag, neben Polirom der größte des Landes, besitzt eine Buchhandelskette. Buchhandlungen auf dem Land sind selten.
Entwicklung/Trends:
- Entwicklungen des Buchmarktes: Nach der Wirtschaftskrise von 2008 sind die Auflagen drastisch gesunken, der Buchmarkt erholt sich davon nur langsam. Mehr als 1000 Exemplare werden selten von einem literarischen Titel verkauft, lediglich bei Übersetzungen vor allem aus dem Englischen ist es anders.
- Trends und Aktuelles: In Rumänien werden rund 20 Millionen Bücher pro Jahr verkauft, theoretisch eines pro Einwohner*in. Doch die Zahl der aktiven Leser*innen ist weitaus geringer. Bei einem Durchschnittslohn vom 500 € bleibt wenig Geld für Lektüre übrig. Die Literarturszene in Rumänien ist jedoch vielfältig. Mit rund 40 Neuerscheinungen, die ins Deutsche übersetzt wurden, waren Rumäniens Schriftsteller*innen auf der Leipziger Buchmesse vertreten.
- Branchenumsatz: Schätzungsweise 60 Mio. Euro pro Jahr – das ist weniger als der Jahresumsatz eines Verlages wie Rowohlt.
Produkte:
- Printbücher vs. E-Books: Da Rumänien im EU-Vergleich das Land mit dem geringsten Bücherkonsum ist, liegt es nahe, dass sich das Rezipieren von E-Books auch in Grenzen hält. Gedruckte Bücher werden in Rumänien generell lieber gelesen.
- Besonderheiten: Ausländische Autoren*innen werden im rumänischen Buchhandel deutlich mehr verlegt als die Einheimischen. Das liegt zum einen an der guten PR und daran, dass rumänische Verlage, was ihre Auflagenzahlen angeht, sehr vorsichtig geworden sind. Während es 1989 mit 300.000 Exemplaren pro Titel paradiesische Zeiten waren, sind die Auflagenzahlen heute drastisch gesunken und die Verlage auf einem neuen Tiefstand angelangt.
- Spezielle Vereine/Verlagsbunde/...: Der Schriftstellerverband Rumäniens bietet seinen Mitgliedern Veröffentlichungsmöglichkeiten, beste Kontakte zu Verlagen, zahlreiche Stipendien, eine 50 Prozent höhere Rente und vieles mehr. Im Zuge dessen erhält er zwei Prozent vom Preis jedes verkauften Buches. Auch der Staat unterstützt die Institution mit einem jährlichen Fördergeld von 700.000 Euro, um neue literarische Zeitschriften zu publizieren. Doch viele der jungen Autorinnen und Autoren gehören dem Schriftstellerverband nicht an, da sie ihn für undurchsichtig halten. Er sei ein Ausbund des Klientelismus und nicht vertrauenswürdig. Daher haben sie sich selbst organisiert und vor drei Jahren eine eigene Vereinigung gegründet, die sich ihrer Meinung nach besser für die Interessen der Autoren und Autorinnen einsetzt und für gerechte Entlohnung sorgt.
- Buchpreisbindung und Co.: Die Bücher in Rumänien sind nicht preisgebunden, daher können die Händler selbst über die Preispolitik entscheiden. Die Mehrwertsteuersätze für Print und E-Books liegen bei 9%.
- Durchschnittliche Auflage eines Buches: 1.000 bis 1.500 Exemplare pro Titel
Nutzer/Kunden:
- Die Buchmesse: In Bukarest finden zwei Buchmessen statt. Zum einen „Bookfest“ und zum anderen „Gaudeamus“. Dieses Jahr findet „Bookfest“ vom 30.5.18 bis 3.6.18 statt und wird von der „international publishers association“ organisiert. „Gaudeamus“ ist eine internationale Buch- und Ausbildungsmesse. Sie fand im November 2017 statt und wurde vom Hörfunk Radio România organisiert. 125.000 Messebesucher und rund 300 Austeller*innen konnte die Veranstaltung im letzten Jahr verzeichnen.
- Das Kundenverhalten: Rumäniens Bevölkerung ist nur schwer zum Lesen zu begeistern. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen wurde das landesweite Netz von Buchfilialen nach 1989 komplett zerstört. Sicherlich gibt es noch große Buchhandlungen in den Städten, wovon 70% der Buchverkäufe auf Bukarest fallen. In den ländlichen Regionen gibt es allerdings kaum Buchhandlungen mehr, was somit auch zur Folge hat, dass es dort nur noch eine kleine Leserschaft gibt. Ein weiterer Grund ist die Besteuerung durch die Regierung. Jemand aus der Mittelschicht hat nicht viel Geld über für Unterhaltung und wenn doch, dann wird das Geld lieber für anderes als Bücher ausgegeben.