„Letztendlich ist die Verlagsarbeit, ja, ich sage mal „ein ständiger Spaß“. Man muss es auch nur so auffassen!“ – verrät uns Prof. Dr. rer. nat. Alexander Grossmann. Wie ein Physiker zum Studiendekan des Studiengangs Buch und Medienproduktion wird, verrät er uns in einem exklusiven Interview. Sie dürfen gespannt sein!
Selina: Sehr geehrter Herr Grossmann, bitte stellen Sie sich doch zunächst einmal vor.
Professor Grossmann: Ja, ich bin Alexander Grossmann und bin Professor für Verlagsmanagement und Studiendekan des Studiengangs Buch- und Medienproduktion an der HTWK Leipzig.
Selina: Sie waren 10 Jahre im Namen der Physik tätig, wie kommt man da in die Verlagsbranche?
Professor Grossmann: Das ist eine gute Frage, die würde jetzt wahrscheinlich zu beantworten eine Viertelstunde dauern. Ich versuche das jetzt ganz kurz zu schildern. Letztendlich ist das daraus entstanden, dass ich vor meiner Zeit in Leipzig, vor fast 20 Jahren, schon einmal Professor war. Aber eben in der Physik, in Tübingen, ganz wo anders, und dort für meine Studierenden ein Buch neu auflegen wollte. Ein Skript über die Physik, und ja, da das keiner wusste wie das geht, habe ich mir das selbst beigebracht. Physiker sind ja neugierig, vorallem Experimentalphysiker wollen immer alles ausprobieren und gucken ob es geht und wenn nicht, dann probieren sie es ein bisschen anders – das habe ich gemacht. Dabei ist nicht nur ein Buch rausgekommen, sondern nach einem Jahr waren das dann 12 Bücher und Lernprogramme auf CD-ROM, damals ganz neu um 1999. Die haben sich auch sehr gut verkauft und das ist mir dann etwas über den Kopf gewachsen, wenn sie Abends und Nachts die Pakete packen müssen, um die Buchhändler mit ihren Bestellungen zu versorgen. Sodass dann eher durch Zufall, aber zur richtigen Zeit ein Angebot kam, zu einem Fachverlag zu gehen, die das den ganzen Tag machen, was ich eben nur „hobbymäßig“ gemacht habe. Und dann habe ich diese Gelegenheit einfach mal wahrgenommen und das ausprobiert. Und da bin ich dann 12 Jahre geblieben – im Fachverlag.
Selina: Sie arbeiteten als Vice President beim Springer Verlag in Wien und auch in Berlin bei De Gruyter, wo Sie jetzt auch leben, wie kamen Sie ausgerechnet nach Leipzig?
Professor Grossmann: Ja, letztendlich gibt es den Studiengang Buch- und Medienproduktion ja nur in Leipzig – es gibt ähnliche Studiengänge, so glaube ich, nur noch in Stuttgart, aber dieser Studiengang so wie wir ihn hier machen, der ist bundesweit einzigartig. Und in sofern ist es ja dann folgerichtig, wenn man den Ruf bekommt, auf diese Professur Verlagsmanagement – und ich war ja in drei verschiedenen Fachverlagen tätig – dann ja, freut es mich natürlich auch nach Leipzig zu gehen. Die Stadt kannte ich vorher nur durch einen einzigen Aufenthalt mal von einem Kongress, 1993, da habe ich noch studiert, aber in sofern wusste ich schon ein bisschen was mich erwartet, im positiven Sinne! *er lacht* Es hat sich seither sehr, sehr viel getan hier in Leipzig und es macht mir eben sehr viel Spaß auch hier zu sein, auch wenn ich hier nicht wohne, aber das muss ja heutzutage auch nicht sein, wenn wir alle dynamisch sind, pendeln und aktiv sind.
Selina: Können Sie etwas aus Ihrer Zeit im Verlag erzählen? Etwa Ein besonders prägendes Erlebnis, oder gern auch eine lustige Geschichte?
Professor Grossmann: Eine lustige Geschichte, da fallen mir ganz viele ein, weil letztendlich ist ja die Verlagsarbeit, ja, ich sage mal ein „ständiger Spaß“. man muss es auch nur so auffassen und darf nicht alles so wieder-ernst nehmen. Eine Sache, die mir aber noch sehr präsent ist, war ein besonderes Buch was wir einmal produziert haben. Zusammen mit einem sehr bekannten Fotografen aus Berlin, der einen Nobelpreisträger im Rahmen eines Projektes fotografiert hatte, vor Ort über 100 Portrates gemacht hat und die sollten jetzt als ein Schmuckband, ein richtiges „coffee-table-Buch“, im Großformat erscheinen. Das Format war so außergewöhnlich, dass wir in Deutschland gar keine Buchbinderei gefunden haben, die das zu wirtschaftlichen Preisen gemacht hat. Sodass wir dann uns entschieden haben, mit dem Herstellungsleiter des damaligen Verlages, das in China produzieren zu lassen. Und in China ist das alles viel billiger. Es ist zwar weit weg, aber es kam jetzt nicht so auf den Tag an. Und dann kommt jetzt das sozusagen „lustige“ Ereignis: plötzlich rief dann die Druckerei aus China an, und sagt: sie können das Buch nicht drucken, sie haben die Presse gestoppt. Und wir waren ganz aufgeregt und haben versucht herauszufinden, warum und weshalb und dann haben die gesagt: „Naja, da ist auf einer Seite der Friedensnobelpreisträger der Dalai Lama drauf.“ Das geht ja gar nicht, ist in Tibet, und das ist ein no-go. Das Thema existiert in China so nicht und deshalb dürfen sie das nicht drucken. Das wird so nicht gemacht. Und dann: Riesenaufregung, der Fotograf war völlig am Ende, wollte schon runter fliegen. Ich sagte ihm „das hilft jetzt glaube ich auch nichts!“ *er lacht* Letzten Endes haben wir uns bei Nacht und Nebel nochmal per Telefon mit den Chinesen zusammengerauft. Chinesen sind ja auch sehr geschäftstüchtig und wir haben denen gesagt: „da geht euch jetzt ein toller Auftrag flöten, und das ist doch schade, denn wir wollen doch gemeinsam mit Ihnen ein tolles Projekt machen!“ Ausgemacht war dann folgendes: wir drucken nur den Bogen wo der Dalai Lama drauf ist, nicht in China, sondern in Hong Kong – gesonderte Wirtschaftszone, da gelten andere politische Regeln, da wird nicht so streng darauf geguckt. Und nachher tragen wir die Bögen wieder zusammen, und machen das Nachts in der Buchbinderstrecke, da, wo nur ausgewählte Kollegen dabei sind und dann ist das Thema gelaufen. Eine ganz pragmatische Lösung. Im Nachhinein lacht man darüber, aber das war... *stockt er* ...Das hat uns viele graue Haare gekostet, im ersten Moment. Aber nachher ist das ja fast schon lächerlich. *lacht* Aber das zeigt so ein bisschen was im Verlag alles passieren kann, völlig unerwartetes Risiko!
Selina: Was empfehlen Sie den Studenten und Absolventen des Studiengangs „Buch- und Medienproduktion?
Professor Grossmann: Ja, letztendlich rate ich allen Studierenden immer, auch schon damals in der Physik, gebt euch nicht mit dem zufrieden wie ihr es erklärt bekommt, oder wie es gerade ist. Sondern hinterfragt das. Nicht im Sinne von „stellt es in Frage“, sondern hinterfragt es, weil dann kommen manchmal ganz andere Aspekte plötzlich im eigenen Kopf zum Vorschein, die der Gesprächspartner oder der Verlag oder wo man auch immer arbeitet später, gar nicht so vor Augen hat. Und das, denke ich, macht auch immer den Reiz aus. Gerade jetzt auch in dem Berufsbild für das sie sich ja qualifizieren. Dieses Unerwartete oder möglicherweise auch das Entdecken von neuen Dingen, die man dann gemeinsam mit anderen Kollegen später umsetzen kann. Wenn man das nicht macht, ist das auch ein guter Job, aber das wird dann sehr schnell vielleicht langweilig, wie die meisten Jobs. Das wäre mir zu langweilig. Also ich würde immer mit einem offenen Auge dadurch gehen und immer versuchen im Rahmen der Möglichkeiten, die ich in der jeweiligen Position habe, auch Entdecker zu spielen.
Selina: Vielen lieben Dank für ihre Zeit und ihr Engagement wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute!
Professor Grossmann: Ja vielen Dank für das Interview und viel Erfolg!
Autorin: Selina Uttecht