Packt an!
Am 11. Juni 2014 wurde an der HTWK Leipzig mal wieder angepackt! Denn auf der kleinen Wiese hinter dem Gutenberggebäude fand zum wiederholten Male das feucht-fröhliche Gautschfest statt.
Dieses hat an der Hochschule eine lange Tradition. Alljährlich werden dort neue Studierende der Fakultät Medien bei einer feierlichen Wassertaufe „von ihren Lehrlings-Sünden rein gewaschen“. Dieser Brauch ist beinahe so alt wie die Geschichte des Buchdrucks selbst, denn seit jeher war es im Drucker-Handwerk üblich, dass die Jünger der „schwarzen Kunst“ am Ende ihrer Ausbildung durch die innere und äußere Reinigung aus dem Lehrlings- in den Gesellenstand erhoben wurden. Nachdem früher sieben bzw. später 3 Lehrjahre nötig waren, um freigesprochen zu werden, besteht heute für die Studenten die einzige Voraussetzung für die Teilnahme am Gautschritus darin, sich einmal an einer traditionellen Buchdruckerpresse die Hände schmutzig gemacht zu haben, das heißt mit Bleilettern einen Text gesetzt und diesen gedruckt zu haben – ganz wie zu Gutenbergs Zeiten. Der Begriff „Gautschen“ hat seinen Ursprung übrigens in der Papierherstellung – er beschreibt das Ablegen, Entwässern und Pressen der Papierfasern.
Doch bevor entwässert werden kann, muss ordentlich nass gemacht werden, und wie sich das anfühlt, durften die Studierenden der HTWK am eigenen Leib erfahren. Die Gautsch-Zeremonie wurde durch den feierlichen Einzug des Gautschmeisters und seiner Gesellen in historischen Gewändern eingeleitet. Der Zug, angeführt durch Trommelschlag und Fahnenträgerin, führte bis zu einer Wiese, in deren Mitte sich ein großer, dampfender Holzbottich befand. Während sich die versammelten Zuschauer über die mit ernster Stimme vorgetragene Begrüßungsrede des Gautschmeisters amüsierten, begannen die Gautschlingen angesichts der großen Wanne zu ahnen, was sie erwarten würde...
Dann begann der Meister einen „Lehrling“ nach dem anderen aufzurufen. Mit einem Handschlag und den Worten „Verabschiede dich von deinen Kornutenbanden!“ erhob der Meister die Studierenden in den Gesellenstand. So weit, so gut. Doch nun stand ihnen das reinigende Ganzkörper-Bad bevor. Um der großen Wanne zu entgehen, versuchten einige der Studierenden zu fliehen, doch dafür gab es keine Chance! Denn auf die Anweisung des Meisters „Packt an!“ rannten die Packer (so der Name für die Gesellen, die für das Einfangen und Baden der Gautschlinge zuständig waren) los, schnappten die Gautschlinge an Armen und Beinen und tauchten sie mehrere Male in den Wasserbottich, während das Publikum laut mitzählte: „Eins – zwei – drei – vier – fünf.“ Ein guter Rat war es, in dieser Situation nicht zu widersprechen, denn wer die Packer ärgerte, bekam eine Extra-Ladung Wasser verpasst. Im Anschluss an die Wäsche folgte die innere Reinigung. Dazu mussten sich die Gautschlinge auf einen nassen Schwamm setzen und über einen Trichter einen geheimen Trank zu sich nehmen. Das dabei ausgelöste Verziehen der Gesichter löste sowohl im Publikum als auch bei den Gesellen eine leichte Schadenfreude aus.
Doch auch die Gautschlinge selbst schienen sichtlich Spaß zu haben. Als Belohnung für das tapfer durchgestandene Ritual, erhielten sie einen Gautschbrief und ein T-Shirt, um sich aus ihrer nassen Kleidung befreien zu können. Doch bei dem schönen Wetter trockneten Haare und Kleidung schnell, und so konnten alle Teilnehmer und Zuschauer das Spektakel bei Musik, gegrilltem Abendessen und kalten Getränken auch feierlich ausklingen lassen.
Zum Glück der diesjährigen Gautschlinge dürfen sie sich auf das nächste Jahr freuen, wenn sie die Rolle der Packer einnehmen und die nächste Generation Gautschlinge fangen und baden, wenn es wieder heißt: „Packer, packt an!“