eManga - Manga in elektronischer Form
Das digitale Buch heißt eBook, das elektronische Pendant zur Zeitung ist das ePaper, und nun ist seit knapp anderthalb Jahren auch für den Manga ein „digitaler Doppelgänger“ in Deutschland erhältlich, der eManga. Eine Technik, die noch in den Kinderschuhen steckt, für die sich aber eine genauere Betrachtung lohnt. Hat doch der Manga in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung in Deutschland durchschritten und gilt als eines der sich am besten entwickelten Printprodukte.
Im Vorfeld geht ein besonderer Dank an Kai-Steffen Schwarz (Carlsen Manga), Marco Walz (Egmont Manga) und Yannick Grotholt (Tokyopop), welche als Experten aus drei der größten Manga-Verlage in Deutschland für ein Interview zur Verfügung standen, um über den derzeitigen Stand der eMangas in Deutschland zu informieren.
Was ist ein Manga?
Die Leserichtung eines Mangas Ein Manga ist ein japanischer Comic, der, im Vergleich zu seinen amerikanischen oder europäischen Gegenstücken, einige Besonderheiten aufweist. Wichtigstes Merkmal ist der Zeichenstil: Zumeist werden mit Mangas große, detaillierte Augen, verrückte Frisuren und Haarfarben, gut aussehende Figuren sowie häufig stark ausgeprägte Charaktere verbunden. Die Zeichenstile können aber auch stark variieren – von sehr detailreich und mädchenhaft bis kantig und düster ist alles dabei. Zum anderen ist die Farbigkeit speziell, denn der Manga wird lediglich in schwarz/weiß gedruckt. Ein Manga kann jedoch auch einige einzelne Farbseiten enthalten (zumeist am Anfang oder am Ende), dies liegt aber in der Entscheidung des Zeichners, des sogenannten Mangaka. Aufgrund seiner japanischen Herkunft wird ein Manga, auch wenn er in Deutschland verkauft wird, in japanischer Leserichtung gelesen, von rechts nach links. Das bedeutet, er wird „hinten“ aufgeschlagen, da es sich in Japan dort um die erste Seite handelt. Ebenso verhält es sich mit der Reihenfolge der Bilder und Sprechblasen, man liest von rechts oben nach links unten. Da der Umfang eines Mangas bei circa 180 bis 200 Seiten liegt, er klebegebunden ist und zudem noch eine ansprechende Cover- und Rückengestaltung besitzt, ähnelt er sehr einem Taschenbuch.
Die Entwicklung des Manga in Deutschland
Waren Mangas vor einigen Jahrzehnten in Deutschland aufgrund vieler Vorurteile, die Gewalt und Sexismus betrafen, verpönt, stieg das Interesse an den japanischen Comics seit der Jahrtausendwende stark an. Zum einen galten Mangas zu dieser Zeit als ein exotisches Medium, zum anderen konnten Reihen wie „Dragonball“ und „Sailor Moon“ durch einen guten Plot, Humor, einem hervorstechenden Zeichenstil und teils bizarre Charaktere eine ganze Generation fesseln. Mit den Jahren wurden Mangas bei der deutschen, vorwiegend jungen, Leserschaft immer beliebter. Demnach ist es nicht überraschend, dass sich deutsche Verlage diesem aufstrebenden Segment intensiver widmeten. So wurde insbesondere das Marketing verbessert und neue Themengebiete erschlossen. Die Themen sind dabei so vielfältig wie die Genres in der Filmindustrie. Von actionreichen Geschichten wie „Attack On Titan“ über das romantische Genre mit „Wolf Girl& Black Prince“ bis hin zum Kriminalfälle lösenden Conan Edogawa aus „Detektiv Conan“ können deutsche Leserinnen und Leser aus einer Vielzahl an Inhalten auswählen.
Heutzutage lässt sich die Altersklasse des typischen Mangalesers jedoch nicht mehr definieren, da es einerseits viele treue Menschen gibt, die mit den Mangas „mitwachsen“, sprich auch noch mit 20 oder 30 Jahren Mangas lesen, andererseits hat sich der Manga in die junge, moderne Popkultur etabliert. Die Entwicklung von Fanseiten auf Youtube, Facebook und Co. im Internet, in denen sich Fans untereinander über die neusten Trends austauschen und fachsimpeln können, lässt die Freude an Manga dauerhaft aufleben. Außerdem bieten zahlreiche Conventions auf für Amateur- und Hobbyzeichner die Chance, auf großes Publikum außerhalb des Internets zu treffen. So benötigt ein Manga kaum mehr Unterstützung des Animes, der dazu passenden animierten Zeichentrickserie, sondern kann aus eigener Kraft eine große Beliebtheit und hohe Absatzzahlen erreichen. Mittlerweile verkaufen sich Bestseller in Deutschland im fünfstelligen Bereich pro Band oder Ausgabe.
eManga in Deutschland
Mit zunehmender Digitalisierung kommen seit Jahren immer mehr technische Innovationen auf den Markt, auch auf den Buchmarkt. Nach dem eBook und dem ePaper ist auch seit circa anderthalb Jahren der eManga in Deutschland erhältlich. Dabei handelt es sich um die digitalisierte Version eines Mangas, die auf technischen Geräten konsumiert werden kann.
Trotz großer Beliebtheit des Print-Mangas konnte der eManga in Deutschland bisher noch keinen großen Erfolg bei der Leserschaft verzeichnen. Derzeit liegt der eManga mit unter 1000 Stück Absatz pro Band weit hinter seinem gedruckten Gegenstück. Dennoch steigt die Anzahl der veröffentlichten eMangas. Es wird demnach Hoffnung in den elektronischen Comic gesetzt. Diese dürfte nicht unbegründet sein, wächst doch die jüngere Generation mit einem anderen Bewusstsein für Technik und Multimedia auf als die ältere. Der bislang nur mäßige Erfolg der eMangas ist jedoch nicht nur ein in Deutschland vorherrschendes Phänomen, sondern lässt sich auch auf andere Länder ableiten. Obwohl Japan, die USA und Frankreich, die Vorreiter im Bereich eManga sind, weisen auch deren Märkte eine schlechtere Verkaufsquote auf als bei gedruckten Comics. Im Vergleich zu normalen, textbasierten eBooks verkauft sich der eManga ebenfalls deutlich schlechter. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen liegt es an technischen Gründen, zum anderen an der Einstellung der Leser gegenüber eMangas. So lässt sich reiner Text sehr gut auf konventionellen eReadern darstellen, für Bilder oder die einzelnen Farbseiten am Anfang oder am Ende eines Mangas, die auch in der elektronischen Version enthalten sind, seien sie jedoch nicht konzipiert. Als Lesegeräte eignen sich demnach eher das Tablet und der PC. Das Smartphone kann aufgrund einer kleineren Displaygröße nur bedingt genutzt werden. Aktuell sind eMangas in mehreren Formaten erhältlich, zum Beispiel im Mobipocket-, EPUB- und PDF-Format. Für jede dieser drei Versionen muss ein Verlag jedoch jeweils eine eigene ISBN vergeben. Dennoch kommen immer neuere Versionen für Formate auf den Markt, die es zu erforschen gilt. Finden lassen sich die eMangas auf verschiedenen Plattformen wie Thalia.de, Amazon.de, Kobo.de, dem iBook Store oder dem Google Play Store. Bisher gibt es nur wenige Internetseiten oder Onlinebuchhandlungen, die eMangas verkaufen. Diese Anzahl müsste sich erhöhen, um eine größere Menge von potenziellen Käufern zu erreichen. Eine weitere Hürde stellt die Lizenzierung des Contents dar. Zu Beginn steht die japanische Originalausgabe, die für den deutschen Markt lizenziert werden muss. Dabei werden die Printausgabe und die digitale Ausgabe getrennt betrachtet. Der japanische Verlag oder der Mangaka kann sich demnach vorbehalten, einen eManga nicht für den deutschen Markt freizugeben. Aus diesem Grund können auch nicht alle Print-Mangas, die in Deutschland erhältlich sind, als eManga umgesetzt werden. Theoretisch bestünde jedoch der Ansatz, neue Titel zeitgleich als Print- und Digitalausgabe zu veröffentlichen. Nachdem die Lizenzierung erfolgt ist, werden die Druckdaten bearbeitet – sie gehen in die Übersetzung, zum Lektorat und in die Grafikabteilung. Nach Erstellung der neuen Daten werden diese in ein gewünschtes eBook-Format konvertiert und die Metadaten eingepflegt. Diese Version des eMangas geht dann, wenn die vertraglich vereinbart wurde, noch einmal an den Lizenzgeber zurück, damit dieser den eManga auf technische Mängel etc. überprüfen kann. Gibt der Lizenzgeber seine Zustimmung zur Veröffentlichung, kann das Produkt auf den Webseiten zum Verkauf hochgeladen werden. Ersichtlich ist jedoch, dass dieser Produktionsworkflow einen Arbeitsaufwand darstellt, der bis zum jetzigen Zeitpunkt in keiner Weise in Relation zu den niedrigen Absatzzahlen steht.
Ein weiterer Grund, warum sich eMangas in Deutschland schlechter verkaufen als die Printversionen, ist die Haltung der Leser bzw. der Kunden zu eMangas. Bei den Lesern und Leserinnen von Mangas handelt es sich hauptsächlich um Buchliebhaber und Sammler. Käufern ginge es sowohl um ein optisches als auch haptisches Erlebnis. Das Gefühl sich einen Manga zu kaufen, ihn zu lesen und anschließend in das Bücherregal zu den anderen zu stellen und ihn sich anzuschauen, kann ein eManga nur teilweise übertragen. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass der eManga nur eine geringe Akzeptanz bei Sammlern findet. Ein anderes zu behebendes Problem für die Verlage stellen die sogenannten „Scanlations“ dar. Dabei handelt es sich um Internetplattformen, auf denen eingescannte Mangaseiten illegal veröffentlicht und verbreitet werden. Nutzer dieser Seiten können somit den Inhalt eines Mangas kostenlos konsumieren. Durch DRM (Digital Rights Management) gelingt es den Verlagen zumindest, die eManga vor der eBook-Piraterie zu schützen. Dabei unterteilt sich das DRM in hartes und weiches DRM. Bei dem harten DRM handelt es sich um eine Verschlüsselung, beim weichen um den Einsatz von Wasserzeichen, welche bei der illegalen Verbreitung auffallen und Raubkopien unmöglich machen. In diesem Fall stellen also eher die Print-Mangas das Problem dar. Jeder Nutzer dieser Seiten sollte sich bewusst sein, dass er der Branche, dem Mangaka und den Fans schadet.
Zukünftig, in dieser Hinsicht sind sich die befragten Experten aus den Verlagen einig, wird der eManga in Deutschland einen Aufschwung erleben. Unter anderem wird sich das Angebot von Titeln erhöhen und technische Probleme sollen behoben werden. Da die jüngere Generation einen anderen Bezug zur Technik und zu digitalen Medien hat, ist eine positive Entwicklung der eMangas nicht unwahrscheinlich. Außerdem bietet der eManga verschiedene Vorzüge.
Vor-und Nachteile von eMangas
Die Vor-und Nachteile eines eMangas gleichen denen eines eBooks. Zum einen sind sie deutlich billiger (zwischen einem und zwei Euro Preisdifferenz) als die Printversionen. Außerdem bieten sie, gerade im PDF-Format, eine sehr gute Bildqualität. Hinzu kommt, dass sich der Leseprozess leicht beschleunigt, auch das Umblättern erfolgt nur durch eine kurze schnelle Scrollbewegung. Ein weiterer, nicht auszuschließender Faktor ist auch die Privatsphäre. Während jeder bei einem Manga Einsicht darüber hat, was für ein Titel gelesen wird, bietet das technische Lesegerät einen privaten Lesegenuss, da es kein Cover zeigt.
Platzsparender sind eMangas nur bedingt. Natürlich müssen sie nicht im Bücherregal stehen, jedoch haben sie mit circa 50 MB eine deutliche höhere Dateigröße als rein textbasierende eBooks. Demnach ist auch der Speicherplatz begrenzt. Ein großer Nachteil ist das bisher stark begrenzte Titelangebot. Dies sollte sich aber in den nächsten Monaten und Jahren ändern, da die Lizenzverhandlungen beständig laufen. Die bisherigen Hauptprobleme der eMangas stellen die Leserichtung und vereinzelte Moiré-Effekte dar. Da die Software noch nicht auf die japanische Leserichtung (von hinten nach vorn) eingestellt ist, öffnet sich die Datei und die erste Seite, die man sieht, ist das Ende der Story. Hinzu kommt, dass man durch das Vergrößern auf den Text, die Seite oder das Bild nicht mehr im Gesamten im Blick hat. Durch die Moiré-Effekte, die gerade in schattigen Flächen auftreten, bekommt das Bild bei Bewegung durch Zoomen oder Scrollen eine Art Eigenbewegung, die im ersten Moment lustig erscheinen mag, bei längerem Lesen jedoch stört.
Da es sich bei diesen Problemen größtenteils um technische Unzulänglichkeiten handelt und sich die Technik bekanntlich immer weiterentwickelt, ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass sich diese bald beheben lassen und dem Leser ein qualitativ hochwertiges Lesevergnügen mit einem eManga geboten wird.