Ein Interview zum Thema ausländische Studierende
Vor mir sitzt Liisbeth (23). Seit dem Wintersemester 2014 studiert sie Buch- und Medienproduktion an der HTWK Leipzig. Sie ist eine von vielen Studenten aus dem Ausland und berichtet vh.de wie sie sich in Leipzig, im Studium und mit dem Sächseln zurechtfindet.
Das Baltikum ist nun doch ein ganz schönes Stück weit weg. Wie kommt man da auf Deutschland und im Besonderen auf Leipzig?
Ich komme aus Estland, das ist so ein kleines Stück Land mit nur ganz wenigen Menschen, so die Einwohnerzahl von Berlin vielleicht durch drei. Naja, aber jetzt bin ich schon drei Jahre hier. Ich glaube ich habe mich für Deutschland entschieden, weil ich an dem „Deutschen Gymnasium“ in Tallinn gelernt habe und dann schon in der zehnten Klasse zu meinen Eltern meinte, dass ich irgendwann mal in Deutschland herumkommen will. Es war eigentlich geplant nur maximal ein Jahr ein bisschen zu gucken, Spaß in Berlin zu haben, die Sprachkenntnisse zu verbessern und dann wieder nach Hause zu fliegen. Aber das Leben hat sich anders entwickelt, und nachdem ich in Berlin und in Mannheim gewohnt, gearbeitet und studiert habe, habe ich mich bei einer kleinen Städtereise in Leipzig verliebt. Die kulturellen Angebote und die alternative, kreative und inspirierende Vielfalt haben mich sehr fasziniert. Ich war mit meinem Kunststudium in Mannheim sowieso nicht sehr zufrieden, also habe ich mir gleich in Leipzig ein passendes Studium gesucht. So bin ich an der HTWK gelandet und studiere jetzt seit 4 Semestern Buch- und Medienproduktion.
Wie kommt man von Bildender Kunst auf Buch- und Medienproduktion?
Ich habe etwas gesucht, wo die Kreativität praktisch eingesetzt wird. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mir damals nicht so viel unter Buch- und Medienproduktion vorstellen konnte. Ich fand es wahrscheinlich ganz einfach "cool", etwas mit Büchern zu machen. Ich hatte natürlich ziemlich große Angst vor den Fächern, wo man entweder sprachlich oder technisch sehr gut sein muss. Aber bisher bin ich immer noch dabei und wahrscheinlich habe ich in diesen zwei Jahren tausende neue Fachwörter, irgendwelche Sprichwörter und sächsische Begriffe dazugelernt. Auch mein technischer Verstand wurde geschärft und mein Zeitmanagement hat sich verbessert. Außerdem ist mein Interesse mit der Zeit gewachsen und der Umgang mit Büchern macht mir immer noch Spaß.
Obwohl du erst seit 3 Jahren hier bist, hört man nur noch einen schwachen Akzent. Gibt es dennoch ab und an Sprachbarrieren?
Ja, Sprachbarrieren gibt es auf jeden Fall, auch wenn ich schon ziemlich lange hier bin und einem vielleicht nicht direkt auffällt, dass ich mit Akzent spreche, sollte man eigentlich immer versuchen zu verstehen, dass es gerade nicht die Muttersprache von demjenigen ist. Vor allem hier in Sachsen ist es schwer, manche Menschen, die kein Hochdeutsch sprechen oder sprechen können, zu verstehen. Aber ich habe gehört, dass auch Zugezogene aus Deutschland da Probleme haben. (Liisbeth lacht)
Ja, wenn man aus dem Nichts mit dem Sächseln konfrontiert wird, dann fühlt man sich einer Fremdsprache ausgesetzt, obwohl Leipzig als „sächsischer Grenzposten“ noch keinen so starken Dialekt hat. Gibt es Hilfestellungen seitens der HTWK für nicht deutschsprachige Studenten?
Es gibt bestimmt irgendwelche Hilfestellungen, ich war nur zu stolz um sie zu nutzen. Total dumm von mir eigentlich, aber ich wollte mich irgendwie alleine durch alles kämpfen und genauso wie Muttersprachler behandelt werden. Im Nachhinein denke ich natürlich, dass ich die Angebote vielleicht hätte nutzen sollen.
Seit langem hat Sachsen einen ziemlich braunen Ruf. Gerade mit Pegida, Legida, Chegida wurde das nicht unbedingt besser. Hattest du schon Probleme mit Diskriminierung, dummen Sprüchen in Leipzig oder direkt an der HTWK?
In Leipzig allgemein habe ich gegen mich persönlich keine Diskriminierung erfahren müssen. Dass das hier ein Problem ist, ist mir allerdings bewusst. Wenn Legida mal wieder marschiert, trifft mich das trotzdem ganz persönlich. Deswegen ist es natürlich ganz wichtig öfter gegen so einen Verein zu demonstrieren, und sich für Menschenrechte allgemein einzusetzen. An der Hochschule gab es natürlich auch mal Fälle, wo man den Verdacht hatte, dass die Personen mich gerade nur wegen meiner Herkunft oder irgendwelchen Vorurteilen nicht leiden können. Aber die HTWK hat sich ja schon öffentlich für Toleranz eingesetzt und sich als weltoffene Hochschule positioniert, was sehr wichtig ist und eigentlich normal für ein Bildungsinstitut sein sollte.
Habt ihr nach dem Interview Lust bekommen, etwas mehr über die HTWK und ihre vielfältigen Angebote zu erfahren? Hier findet ihr Infos und Kontakte für ausländische Studieninteressierte.