Scottish Booktrade Conference 2017
Vom 21. – 28. Februar 2017 bereisten sechs Buch- und Medienproduzentinnen, ein Drucktechniker und drei Dozenten der Fakultät Medien der HTWK den wunderschönen Norden Großbritanniens.
Gründe diese Reise anzutreten waren nicht rar gesät: die Partnerschaft mit der Napier University Edinburgh, die atemberaubende Natur Schottlands und seine kulturellen Zentren Edinburgh und Glasgow. Ein Hauptgrund war jedoch der Besuch der Scottish Book Trade Conference am 22. Februar 2017 in der Central Hall in Edinburgh. Ein Mittwoch vollbepackt von 9.00 bis 17.00 Uhr mit aufschlussreichen Vorträgen, inspirierenden Diskussionsrunden und vor allem unheimlich interessanten Menschen.
Morgens startete der Tag mit der Registration und Ausstattung mit Namensschildern (durch die man sich gleich ganz wichtig und richtig am Platz fühlte!), sowie den ersten Vorträgen. Eine Begrüßung durch Publishing Scotland und der Booksellers Association gab dafür den Startschuss. Unter anderem war Barry Cunningham (Chicken House) zu hören. Er ist der Verleger, der J.K. Rowling und ihrem Harry Potter eine Chance gab und damit die Welt der Kinder- und Jugendliteratur reicher machte (im zweifachen Sinn). Als erster Vortragender gab er auch einen, durch die Konferenz hinweg spürbaren, recht politischen Ton vor – Trump und Brexit wurden immer wieder zum Thema. Doch in diesem Zusammenhang wurde vor allem von Bemühung um mehr Zusammenhalt, stärkeren internationalen Beziehungen und positiver Zusammenarbeit geredet. Gerade in Cunninghams Sparte, Kinder- und Jugendbücher, sei es wichtig Lesern Widerstandsfähigkeit und Zusammenhalt entgegen böser Stimmen und Mächte zu lehren.
Nach diesem leidenschaftlichen Plädoyer folgte ein exklusiver erster Einblick in den Nielsen Book Report 2016 vom UK Research Director Steve Bohme, Wochen vor seiner offiziellen Veröffentlichung. Der Nielsen Book Report stellt eine komplette wirtschaftliche Aufschlüsselung des Britischen Buchmarkts dar und Bohme verstand es die trockenen Zahlen mit seiner Präsentation im David Bowie Design aufzulockern und schmackhaft zu machen.
Nach einer kurzen Frühstückspause, in der die Möglichkeit zum Networken gegeben war und auch genutzt wurde, konnte die Konferenz fortgesetzt werden. Jedoch gingen Verleger und Buchhändler nun getrennte Wege, zumindest bis zur Mittagspause. Als Buch- und Medienproduzenten entschieden wir uns natürlich für die Verlagsbranche und hörten uns anregende Vorträge zu Marketing mit kleinem Budget (Sam Eades, Orion Books) und zur teilweise langen Reise eines Buchcovers von der ersten Idee zum fertigen Produkt (Suzanne Dean, Penguin Random House) an. Sam Eades, selbst inzwischen in der Position der Redakteurin, präsentierte ihre größten Erfolge als Presseagentin und gab uns Hoffnung darauf, dass man mit einem Kopf voller (auch mal verrückter) Ideen und ein wenig Durchsetzungsvermögen auch ohne großes Budget sehr viel erreichen und sein Produkt in Szene setzen kann. Da kann als Endprodukt auch mal eine Straßenumbenennung entstehen (in der Heimatstadt von Neil Gaiman für sein Buch The Ocean at the End of the Lane).
Bei Suzanne Dean ging es auch um das Inszenieren des Buches, jedoch noch vor Fertigstellung, nämlich der Covergestaltung. Sie ist Creative Director für den Imprint Vintage bei Penguin Random House und sogar Stamm-Coverdesignerin für einige Autoren und Autorinnen. Sie erzählte nicht nur von der Covergestaltung, die beim Manuskript und einer Idee für ein Konzept anfängt, sondern auch von der Neugestaltung des Hardcover Konzepts, die bei der Herausgabe eines Softcovers durchgeführt wird.
Anschließend gab es noch einen, für Studierende seltenen, Einblick in die Beziehung zwischen Autoren, Übersetzern und Verlegern und wie diese für alle zufriedenstellend gestaltet werden kann. Dazu sprachen zwei Mitglieder der Society of Authors: Lucinda Byatt, die selbst als Übersetzerin und Dozentin an der Edinburgh University tätig ist, konzentrierte sich dabei auf mögliche Anerkennungen, die Verleger ihren Übersetzern einräumen können, um eine Zusammenarbeit zu verbessern. Caroline Dunford, Autorin einer Krimiserie und zahlreicher Jugendbücher, berichtete von ihren Erfahrungen (positiv wie auch negativ) und brachte auch sehr gelungene Vorschläge für ein produktiveres Miteinander an.
Die darauffolgende Mittagspause war eine willkommene Unterbrechung, um frische Luft zu schnappen und etwas in den Magen zu bekommen. Mit gut gefüllten Bäuchen wurde anschließend eine Diskussionsrunde zu aktuellen Fragen der Buchhandlungs- und Verlagsbranche verfolgt. Moderator war der Besitzer und Chef des erfolgreichen und angesehenen Magazins The Bookseller, Nigel Roby, welcher angeregt und unterhaltsam mit seinen Gästen (von verschiedensten beruflichen Hintergründen kommend) und auch dem Publikum diskutierte.
Danach ging es in individuell gewählte Vorträge verschiedenster Art. Ein Teil der Leipziger Studierenden hörte sich beispielsweise einen spannenden Vortrag über 404 Ink an, ein von zwei jungen Frauen neu gegründeter Verlag, der die Verlagswelt umkrempeln und auf unkonventionelle Art den Markt revolutionieren will. Dafür nutzen Heather McDaid und Laura Jones vor allem Social Media und Crowdfunding – und es funktioniert! Ihr erstes Buch Nasty Women, eine Sammlung von Essays über Feminismus im 21. Jahrhundert, brachte den beiden bei Kickstarter nach einem Tweet von Margaret Atwood und einem Artikel über sie in der Huffington Post statt den angepeilten 6,000 Pfund ganze 22,000 Pfund ein. Mit dem Überschuss wollen sie vor allem ihren Autoren und Autorinnen mehr Geld bezahlen und den Rest in neue Projekte investieren.
Eine weitere Perspektive wurde von Crystal Mahey-Morgan, der Gründerin von OWN IT! London, beleuchtet. Sie sprach nicht nur über crossmediales Publizieren und dessen Vorteile für den Verlag, das Marketing, sondern auch über die Autoren und Künstler, die im Projekt involviert sind. Mahey-Morgan äußerte sich außerdem kritisch zur kaum vorhandenen Repräsentation von Autoren vielfältigerer Hintergründe als weißer Mittelklasse bei den großen Verlagshäusern. Es wäre noch so viel mehr Potential vorhanden, wenn man neuen Autoren und Autorinnen eine Chance geben würde. Sie selbst macht gerade mit OWN IT! London sehr erfolgreiche Erfahrungen und füllt großen Hallen mit Lesungen. Ein großartiges Projekt, welches hoffentlich weitere Bahnen ziehen wird, auch in den traditionellen großen Verlagshäusern (mehr unter www.ownit.london/about/).
Den Abschluss bildete eine Diskussionsrunde zu Kollaborationen und möglichen Partnerschaften in der Branche. Dabei stellten aus verschiedensten Berufsgruppen kommende Menschen erneut ihre Initiativen für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Geschäften und den Gemeinschaften, in denen sie existieren, vor. Damit nahm ein langer, aufschlussreicher und sehr inspirierender Tag sein Ende und konnte bei einer Runde Getränken und netten Gesprächen ausklingen. Man kann schon gespannt sein auf das nächste Jahr, denn eine Rekordzahl an Besuchern und Vorträgen 2017 ließ Jenny Brown (Leiterin der Konferenz) auf eine Ausweitung auf zwei Tage spekulieren. Ein besonderer Dank geht an das Akademische Auslandsamt und den Förderverein der HTWK für die finanzielle Unterstützung der Exkursion, ohne die diese nicht hätte stattfinden können.